Warum ich Deutschland für Ecuador verlassen habe – Die Geschichte einer radikalen Transformation

Veröffentlicht am 15. Juli 2025 um 20:11

Es ist 6 Uhr morgens in San Felipe de Oña, Ecuador. Die Berge tauchen langsam aus dem Nebel auf. Vor mir liegt ein Tag mit intensivem Training – körperlich und geistig. Was einst Herausforderung war, ist heute Medizin geworden. Ohne diese Praxis wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin.

Diese Geschichte handelt nicht von einem spirituellen Aufstieg. Sie handelt vom Preis, den echte Transformation fordert – und warum ich diesen Preis bezahlen musste.

Phase 1: Der Erfolg (1998-2013)

1998, mit 23 Jahren, lernte ich bei der siebentägigen Veranstaltung "Buddhas Weg zum Glück" unter der Schirmherrschaft des Dalai Lama in Schneverdingen den Blueprint meines Lebens: Service vor Status. Substanz vor Zeremonie. Während 11.000 Teilnehmende den heiligen Zeremonien beiwohnten, übernahm ich die praktische Arbeit: Parkplätze bauen, frühe Gäste begrüßen, die Verantwortung für die Sicherheit der Zeltstadt in der Nacht.

Am Tag des Höhepunkts der Mandala-Auflösung fragte ein Bruder im Blaumann: "Lass uns Müll sortieren." Ich sagte: "Alter, jetzt ist der Höhepunkt im Zelt!" Er antwortete: "Die Initiation liegt im mitfühlenden Herzen der Buddhas." So sortierten wir den Müll. Eines der Geschenke, die ich rückblickend in meinem Leben erhalten habe.

15 Jahre später schien ich alles erreicht zu haben. Meine Suryashakti Yogaschule in Hannover florierte, ich unterrichtete täglich und entwickelte Business- und Coaching-Programme für hochkarätige Finanzinstitutionen und Geschäftsleute. 20 Jahre Erfahrung in Kampfkunst und spiritueller Praxis. Sicheres Einkommen, respektierte Position, komfortables Leben.

"Du läufst Gefahr, ein Leben zu führen, das so bequem und weich ist, dass du stirbst, ohne jemals dein wahres Potenzial erkannt zu haben." – David Goggins

Aber da war diese Vision von 1998, die ich in Schneverdingen hatte, die nicht verschwand: Die Prophezeiung von Condor und Adler. Ein Ruf nach Südamerika, der sich jeder Logik widersetzte. Was ich damals nicht wusste: Nach der indigenen Prophezeiung war dies der perfekte Zeitpunkt. Der vierte Pachakuti (1490s-1990s) war die Zeit der Eagle-Dominanz über den Condor. Der fünfte Pachakuti (1990s-heute) ist die Zeit der Wiedervereinigung von Mind (Eagle/Norden) und Heart (Condor/Süden) zu einem höheren Bewusstsein. Meine Vision kam genau zur richtigen Zeit.

Als ich 2013 alles verkaufte, warfen meine Schüler vier Abschiedspartys. Sie sammelten Geld für meine Reise. Es war kein verzweifelter Aufbruch – es war ein mutiger Sprung ins Unbekannte, getragen von einer Gemeinschaft, die an meine Vision glaubte.

Ich dachte, das Schwierigste läge hinter mir. Ich hatte keine Ahnung.

Phase 2: Die Zerstörung (2013-2021)

Ecuador sollte mich lehren, was mein spiritueller Weg immer gelehrt hatte: dass echte Transformation einen Preis hat. Die nächsten Jahre zeigten mir Seiten meiner selbst, die ich nie hatte sehen wollen.

Die erste Lektion kam schnell. Beziehungen, die ich für stabil hielt, erwiesen sich als trügerisch. Menschen, denen ich vertraute, handelten aus anderen Motiven. Projekte, in die ich Herzblut gesteckt hatte, zerfielen. Was von außen wie eine Serie von Pechsträhnen aussah, war in Wirklichkeit ein systematischer Abbau durch Sabotage von Menschen, denen ich vertraute. Die Lektion war brutal einfach: Anerkennen. Nicht diskutieren. Loslassen. Härter arbeiten als jemals zuvor. Nach vorne gehen. Kein Drama, keine endlosen Analysen – nur die reine Entscheidung, durch Arbeit zu antworten.

"Du hast Macht über deinen Geist – nicht über äußere Ereignisse. Erkenne das, und du wirst Stärke finden." – Marcus Aurelius

Während ich mich in spirituelle Praxis vertiefte – Temazcal-Zeremonien an heiligen Wasserfällen, Vision Quest in den Bergen, die Arbeit mit den großen Meisterpflanzen San Pedro und Ayahuasca –, zerbrach um mich herum eine Welt nach der anderen. Das Chaos war vollständig.

Aber das war erst der Anfang eines Prozesses, den ich damals nicht verstand. Jede Schwäche, jedes ungelöste Muster, jede spirituelle Unreife kam an die Oberfläche. Ecuador war nicht gekommen, um mich zu trösten – es war gekommen, um alles zu verbrennen, was nicht authentisch war.

Jahre der Begegnungen mit den indigenen Kulturen, Weisheitsträgern und ihren heiligen Orten am Feuer der Weisheit in den Bergen, im Dschungel und an der Pazifikküste lehrten mich eine Demut, die in keinem Buch zu finden ist. Der letztendliche Schlüssel für mein Verständnis der indigenen Seele war Taita Querubín Queta Alvarado und die Weisheitsträger der Secoya.

Taita Querubín (1913-2024) war nicht irgendein Schamane – er war eine lebende Legende. 110 Jahre alt geworden, kämpfte er erfolgreich gegen die Patentierung der Ayahuasca durch einen US-Amerikaner (1986-1999) und sprach vor dem House of Lords in England. Er war die höchste spirituelle Autorität der Cofán und lehrte mich die Erkenntnis, dass spirituelle Entwicklung nicht linear verläuft, sondern durch Zyklen der Zerstörung und des Wiederaufbaus.

Ich durchlebte Jahre tiefer Herausforderung. Doch etwas in mir hielt stand. Die spirituelle Praxis, die ich seit Jahrzehnten kultiviert hatte, trug mich durch diese Zeit. Dann, Anfang 2020, geschah etwas Unerwartetes: Ich spürte zum ersten Mal seit Jahren wieder Boden unter den Füßen. Nicht weil das Chaos vorbei war, sondern weil ich endlich gelernt hatte, im Sturm zu stehen.

Phase 3: Die Wiedergeburt (2020-heute)

2020 begann die Phase der Integration. Nicht weil ich spirituell "angekommen" war, sondern weil ich endlich verstanden hatte, was spirituelle Arbeit wirklich bedeutet.

Vier Jahre später praktiziere ich täglich intensive interne Künste an einem der heiligsten Orte der Erde. Nicht aus Disziplin oder um Fortschritte zu messen – sondern weil es zu meiner Medizin geworden ist. Jede Herausforderung verlangt nach entsprechender Antwort.

Menschen, die mich seit Jahren kennen, sehen den authentischen Wandel, die gewachsene Ruhe, die klaren Einsichten. Was sie nicht immer sehen: der tägliche Prozess der Arbeit an sich selbst, das kontinuierliche Verfeinern, das nie wirklich aufhört.

2021 zog ich nach San Felipe de Oña – und verstand erst später, dass dies kein zufälliger Ort war. Hier, auf 2.350m Höhe, lebe ich an einem Kraftort mit 12.700 Jahren kontinuierlicher menschlicher Präsenz. Die Pfade, auf denen ich trainiere, führen zu den ältesten Metallschmelzöfen Ecuadors in Putushío und zu den paläo-indianischen Siedlungen von Cubilán. Die Cañari-Vorfahren gingen hier, lange bevor die Inka kamen. Sie wussten: Transformation ist kein Wellness-Programm. Sie ist ein Kampf um die Seele.

"Du bist nicht nur der Tropfen im Ozean, sondern der ganze Ozean in jedem Tropfen." – Rumi

Das Training in der Höhe, die Kälte der Bergbäche, die dünne Luft – alles ist Teil eines ganzheitlichen Prozesses der Selbsterkenntnis, der zu meiner ultimativen Medizin wurde. Zhang Zhuang, die 2.700 Jahre alte "stehende Meditation", praktiziere ich täglich zwischen den 29 heiligen Lagunas der Comuna Marcos Pérez de Castilla. Extreme Umstände fordern extreme Strategien – wodurch alles verbrennt, was nicht der menschlichen Natur entspricht.

Die Wissenschaft bestätigt, was die alten Meister wussten: Zhang Zhuang korrigiert Haltungsschäden, öffnet Energiekanäle, optimiert die Sauerstoffversorgung und kann chronische Krankheiten heilen. Auf 2.350m Höhe wird es zur perfekten Medizin für den modernen Menschen.

In diesen Jahren lernte ich von Sifu Sergio Iladorola das Yang Tai Chi der IWKA. Nach drei Jahrzehnten verschiedener Kampfkünste fand endlich alles seinen Platz. Aber nicht als Krönung des Erfolgs – als Werkzeug der kontinuierlichen Reinigung.

Die Kondore, die über meinem Training kreisen, wissen es: Dies ist "Condor Land", wo die Kondore ihre Nester haben. Die Vision von 2013 war real – sie führte mich zu einem der letzten heiligen Orte der Erde.

Was wirklich entstanden ist

Heute arbeite ich mit Menschen, die spüren, dass oberflächliche Lösungen nicht reichen. Die verstehen, dass echte Transformation einen Preis hat. Nicht jeder muss nach Ecuador kommen – aber jeder muss bereit sein, das loszulassen, was ihn klein hält.

Das System, das entstanden ist, vereint Yoga, Kampfkunst und Calisthenics zu einer ganzheitlichen Praxis – östliche innere Künste, Anden-Weisheit und moderne Erkenntnisse. Aber es basiert auf einer Erkenntnis, die keine Technik ersetzen kann: Echte Transformation geschieht nur, wenn wir bereit sind, alles zu verlieren, was wir für uns halten.

Ich bin kein Guru, kein erleuchteter Meister, kein spiritueller Lehrer im traditionellen Sinne. Ich bin ein Schüler, der durch Gottes Gnade durch die Hölle gegangen ist und überlebt hat. Der täglich fällt und täglich wieder aufsteht. Der seine Medizin gefunden hat und sie mit anderen teilt, die bereit sind für den echten Preis der Transformation.

Meine Arbeit ist die Weitergabe dessen, was acht Jahre der Zerstörung und vier Jahre des Wiederaufbaus gelehrt haben: dass wir alle bis oben hin voll sind mit dem, was uns von unserer besten Vision unserer selbst trennt. Und dass es Methoden gibt, diesen Schleier, der unsere wahre Natur verdeckt, zu verbrennen.

Der Ruf, den nur wenige hören

Die Prophezeiung von Condor und Adler ist 2.000 Jahre alt und beschreibt genau unsere Zeit: den fünften Pachakuti (1990-heute), wo sich Mind und Heart, Technologie und Weisheit, Nord und Süd wieder vereinen können. Wir leben in der Zeit der großen Wiedervereinigung.

Wenn du spürst, dass in deinem Leben mehr möglich ist, aber nicht weißt, wie du die Kraft finden sollst, alles loszulassen, was dich sicher hält – dann verstehst du vielleicht, warum ich diese Geschichte teile.

Nicht jeder muss nach Ecuador. Aber jeder, der echte Transformation sucht, muss bereit sein für seinen eigenen Rock Bottom. Für seine eigene Medizin. Für seinen eigenen Weg durch die Zerstörung zur Wiedergeburt.

Die Kondore, die 2013 auf meiner Vision Quest hier in den Bergen, wo ich mit meiner Familie lebe, über meinem Baum kreisten, wussten es bereits: Du bist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Auch wenn es sich wie die Hölle anfühlt.

Heute weiß ich: Der Ruf von 1998, den ich in Schneverdingen vernahm, war real. Ecuador hat mich nicht nur gerufen – es hat mich gerettet. Durch Zerstörung. An einem heiligen Ort, wo seit 12.700 Jahren Menschen ihre Transformation suchen.

Es gibt keine Abkürzungen. Es gibt nur den Weg durch das Feuer. Und auf der anderen Seite wartet ein Leben, das du dir nie hättest vorstellen können.

Bist du bereit für deinen eigenen Weg durch das Feuer?


Geschrieben aus den Anden Ecuadors, wo die Kondore fliegen und die Ahnen sprechen. Wo 12.700 Jahre menschlicher Weisheit auf moderne Transformation trifft. Wo jeder Tag ein Kampf um die Seele ist – und ein Sieg für den, der bereit ist, den Preis zu zahlen.

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